Elena Hocke, M.A., Ausstellung "Natur im Fluß" von Heike Renz, Galerie im Kulturzentrum Herrenberg, 3/ 2018
„Alles ist im Fluss, und jedes Bild wird gestaltet, während es vorübergeht.“
Ovid
Heike Renz führt in diesem Katalog eine vibrierende Werkserie in Aquarell vor Augen, in der sie die Kraft und die Poesie der Natur auf das Papier bringt.
Anhand der Landschaftsmotivik werden Farben zur reinen Anschauung. Und so erreicht Heike Renz ihre Bildaussagen mit dem Material koloristischer Mittel, die sie als wohlgeordnetes Instrumentarium von außerordentlicher Klangfülle und Nuancierung einsetzt.
Das Eigenleben der Farbe entwickelt die Künstlerin anhand der Vorlagen aus der Natur. Dabei kommen die unterschiedlichen Kompositionsweisen der Künstlerin zum Tragen: von einer fast Bühnenartigen Anordnung bis hin zu einer flächigen, vielfältig sich vernetzenden Strukturierung aus Linien, Zeichen und Farbwerten.
In einem schnellen, konzentrierten und von Spontaneität geprägten Malprozess entwickelt Heike Renz Landschaften in Aquarell, Tusche und Pastellkreide. Es entstehen in dieser Technik Impressionen aus der Natur etwa eine starkbunte Sommerblumenfülle, eine in Grüntönen variierende Sumpflandschaft, in matt-grauen Ockertönen gehaltene Nordseelandschaften sowie filigrane Variationen von Gräsern.
Ihre Malerei umfasst eine Farbsubstanz, die von äußerster Zartheit bis berstender Stärke und pulsierenden Flächen zeugt. Sie verführen den Betrachter auf sensible Art und Weise, andererseits setzt die versierte Aquarellistin den Betrachter in einen Farbenrausch. Die Kunst von Heike Renz ist in höchstem Maße eine sinnliche Kunst. Ihre Werke erzeugen einen eigenen, durchrhythmisierten Farbraum, in dem sich der Betrachter versenken und ganz der empfindenden Anschauung hingeben kann.
Mit einer an Zeitlosigkeit gemahnenden Unerschütterlichkeit und kompositorischen Ausgewogenheit gelingt es Heike Renz, Bilder von atmosphärischen Sehnsuchtsorten und autopoetische Bildwelten zu erzeugen, in denen sie den Fokus je nach Bildmotiv unterschiedlich einmal in Fernsicht, einmal in Nahsicht legt. Dabei hebt sich der Abbildungscharakter in wässrig-fließenden Farbwolken auf und macht dem subjektiven Eindruck zugunsten einer Bildwelt in Farbklängen Platz.
Die Strukturen ihrer Bilder öffnen sich zu einer eigentümlichen Transparenz: Fühlte man sich bei ihren erdigen Gespinsten ihrer Emden- und Norderney-Serie in die windumtoste Nordseelandschaft, die nach dem salzigen Meerwasser duftet, versetzt, ist der Farb- und Bildraum ihrer Waldlandschaften und Sommerblumenimpressionen nun ganz geöffnet, gegen ein amorphes, endloses Dahinter.
Das Bild selbst versteht Heike Renz als Momentaufnahme zwischen Formauflösung und Formfindung sowie Werden und Vergehen. Erinnerungs- und Gedankensplitter ergeben dabei ganz eigene, verfremdende, eben erspührte Bildlandschaften der Künstlerin. Und so hat jedes ihrer Bilder auf subtile Weise auch mit dem Tod zu tun. Wir stehen als Betrachter schließlich Zeugnissen des Flusses des Lebens in seinen wechselnden Erscheinungen gegenüber, wie ihn unnachahmlich Hermann Hesse im finalen Kapitel seines Siddhartha beschreibt.
Elena Hocke M.A